Ramandan 2025. Mein erster Ramadan als Muslimin steht vor der Tür. Als Konvertitin zum Islam habe ich den Ramadan immer als eine Zeit der Besinnung, des Verzichts und der Dankbarkeit gesehen.
Doch je mehr ich mich mit der muslimischen Gemeinschaft beschäftige, desto deutlicher wird mir, dass der wahre Geist des Ramadan oft im Konsumrausch untergeht. Dieser Beitrag ist inspiriert von einer aktuellen Reportage aus Gaza, die mich zutiefst erschüttert hat: Bilder von verendeten Nutztieren, zerstörten Lebensgrundlagen.
Zerstörte Anbauflächen: Aktuelle Analysen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und des Satellitenzentrums der Vereinten Nationen (UNOSAT) zeigen, dass bis zum 1. September 2024 rund 67,6 Prozent der Anbauflächen im Gazastreifen zerstört wurden.
Verluste in der Viehwirtschaft: Der anhaltende Konflikt hat auch die Viehwirtschaft schwer getroffen. Berichten zufolge sind etwa 95 % des Rinderbestands und 60 %der Ziegen und Schafe im Gazastreifen verendet. Was dies bedeutet, kann sich wohl jeder selber ausrechnen.
Währenddessen scrollen “wir” durch die sozialen Medien, die überfüllt sind mit Bildern von „perfekten Iftar-Tischen“, geschmückten Ramadan-Laternen und luxuriösen Ramadan-Kalendern. Das scheint wie zwei Welten zu sein, die nicht miteinander vereinbar sind.
Ich habe mich vor einigen Monaten bewusst von allen sozialen Medien abgemeldet, weil mich diese oberflächliche Inszenierung des “Lebens” immer mehr gestört hat. Ich erinnere mich an letzten Ramadan, als ich noch “online” war. Besonders aufgefallen ist mir, wie oft Konvertitinnen oder Frauen mit muslimischen Männern in diesen Konsumwettbewerb hineingezogen werden.
Es geht nicht mehr um die Frage, wie wir Allah näher kommen, sondern darum, wer die schönsten Fotos postet: abgestimmte Geschirrsets, funkelnde Lichterketten, personalisierte Geschenkboxen oder üppige Iftar-Menüs. Die Frage ist: Wollen wir wirklich die Botschaft aussenden, dass der Ramadan nur dann „gelungen“ ist, wenn er Instagram-tauglich ist?
Dabei erinnert uns Allah im Koran immer wieder daran, dass unser Fokus woanders liegen sollte:
„Das Jenseits ist besser für dich als das Diesseits.“ (Surah Ad-Duha, 93:4)
Die wahre Bedeutung des Ramadan
Ramadan ist kein Wettbewerb um Äußerlichkeiten, sondern ein Monat der inneren Reinigung und spirituellen Erneuerung. Seine Kernbotschaften lauten:
Verzicht und Bescheidenheit: Das Fasten lehrt uns, mit weniger auszukommen, unsere Begierden zu zügeln und den Wert einfacher Dinge zu schätzen.
Dankbarkeit: Indem wir Hunger und Durst erfahren, erinnern wir uns daran, wie gesegnet wir sind, und danken Allah für seine Gaben.
Nächstenliebe und Solidarität: Der Ramadan fordert uns auf, über unseren eigenen Tellerrand hinauszuschauen und uns für die Bedürftigen einzusetzen.
Doch wie passt das zu einer Realität, in der die „Ramadan-Industrie“ mit unzähligen Produkten wie Deko-Artikeln, Luxus-Outfits und Gourmet-Ideen boomt?
Gaza und die Not unserer Geschwister
Während wir in Saus und Braus leben und unter dem Ramadan-Kitsch beinahe ersticken, kämpfen Menschen in Gaza, Syrien und anderen Krisengebieten der Welt täglich ums Überleben.
Gaza ist eines der Beispiele, das uns das ganze Ausmaß des Elends vor Augen führt: Tausende von Nutztieren sind verendet, was den Menschen nicht nur Nahrung, sondern auch Einkommen und Hoffnung raubt. Eltern haben Schwierigkeiten, ihre Kinder zu ernähren, und in den Krankenhäusern fehlt es an Medikamenten. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Diese Not erinnert uns daran, wie dringend unsere Hilfe gebraucht wird.
Im Koran heißt es:
„Und sie geben Speise – aus Liebe zu Ihm – dem Bedürftigen, der Waise und dem Gefangenen.“ (Surah Al-Insan, 76:8)
Das sollte der wahre Fokus des Ramadan sein: zu teilen, was wir haben, und unseren Geschwistern in Not beizustehen.
Muslimische Influencer: Verantwortung oder Geschäft?
Ein weiterer Punkt, der mich immer wieder beschäftigt, ist die Rolle der (muslimischen) Influencer. Es scheint, dass der Ramadan zu einer Plattform für Produktwerbung geworden ist: Geschenkboxen, passende Dekosets, Gourmetrezepte und vieles mehr. Doch wo bleibt die Spiritualität, wenn der Konsum im Vordergrund steht?
Der Prophet Muhammad (ﷺ) hat uns Bescheidenheit vorgelebt. Seine Iftar-Mahlzeiten bestanden oft nur aus Datteln und Wasser – eine Erinnerung daran, dass das Wesentliche nicht im Materiellen liegt.
Ein humorvoller Blick auf den „Ramadan-Wettbewerb“
Manchmal frage ich mich, ob der Prophet Muhammad (ﷺ) lächeln würde, wenn er sehen könnte, wie wir heute den Ramadan feiern. Was würde er wohl zu einer „Ramadan-Checkliste“ sagen, die neben Koranrezitation und Gebet auch „Deko-Lichter aufhängen“ und „Tischfotos posten“ enthält? Wahrscheinlich würde er uns mit einem liebevollen, aber ernsten Blick darauf hinweisen:
„Der Beste unter euch ist derjenige, der am nützlichsten für andere ist.“ (Hadith, überliefert von al-Mu’jam al-Awsat)
Das ist es doch, worauf es ankommt – nützlich zu sein, nicht sichtbar.
Ein Aufruf zur Rückbesinnung
Der gegenwärtige Zustand der Welt sollte uns wachrütteln. Statt uns in einen Konsumrausch zu stürzen, könnten wir den Ramadan nutzen, um uns auf das Wesentliche zu besinnen:
Spenden statt Dekorieren: Die Ausgaben für Deko und Luxusprodukte könnten direkt Bedürftigen zugutekommen – sei es in Krisengebieten oder in der eigenen Umma.
Einfachheit bewahren: Statt aufwendiger Menüs genügt ein schlichtes Fastenbrechen mit Datteln und Wasser.
Dankbarkeit praktizieren: Dankbarkeit zeigt sich nicht durch Konsum, sondern durch bewusste, gute Taten.
Solidarität leben: Ob Zakat, Sadaqah oder freiwillige Spenden – jede Geste zählt.
Mein persönliches Fazit: Ein einfacher Ramadan voller Dankbarkeit
Ich freue mich sehr auf meinen ersten Ramadan als Muslimin. Es ist ein Erlebnis, auf das ich mich bewusst und mit offenem Herzen vorbereite. Für mich ist der Ramadan kein Monat, in dem es um Dekorationen, perfekte Tische oder aufwendige Menüs geht. Es ist eine Zeit, in der ich lernen möchte, mich Allah noch näher zu fühlen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und das, was ich habe, noch mehr zu schätzen.
Ich habe bereits einige Jahre in Einfachheit gelebt und weiß aus eigener Erfahrung, wie wertvoll diese Zeit ist. Die Einfachheit lehrt uns, die kleinen Dinge zu sehen. Nach einer Zeit des Verzichts wird uns wieder bewusst, wie gesegnet wir eigentlich sind.
Dieser Ramadan wird für mich eine Gelegenheit sein, nicht nur auf äußere Dinge zu verzichten, sondern vor allem mein Herz für neue Erkenntnisse zu öffnen. Ich freue mich darauf, Dankbarkeit zu üben, Allah näher zu kommen und mich von Überflüssigem zu trennen. Und ich hoffe, dass ich durch kleine, bewusste Taten auch anderen helfen kann, sei es durch eine Spende oder ein gutes Wort.
Für mich wird dieser Ramadan kein Wettkampf sein, sondern eine Chance, in Einfachheit und Freude zu erfahren, was wirklich zählt. Ich bin dankbar, dass ich diesen Weg gehen darf und freue mich auf die vielen spirituellen Lektionen, die vor mir liegen.
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