Seit langem beschäftige ich mich intensiv mit Lebensmitteln. Neuerdings auch mit Halal-Lebensmitteln, die nicht nur der nächsten Mahlzeit dienen, sondern eine tiefere Betrachtung verdienen. Ihre Herkunft, ihre Verarbeitung und ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt.
Seit meiner Konvertierung zum Islam hat sich mein Fokus zusätzlich auf die Frage gerichtet, wie ich ein Leben führen kann, das sowohl halal als auch gesund und nachhaltig ist. Aber mich nicht an den Rand des finanziellen Ruins treibt. Immer wieder finde ich mich in islamischen Supermärkten wieder, wo ich sprachlos vor Regalen mit hoch verarbeiteten Produkten stehe. Dabei frage ich mich: Ist das der Weg, den uns der täglich erlebte Islam weist?
Diese Gedanken möchte ich mit euch teilen und auch aufzeigen, wie wir als Muslime Verantwortung übernehmen können.
Halal- Markt? Was ist das?
Der Markt für Halal-Produkte hat sich bis 2024 zu einem globalen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Laut dem State of the Global Islamic Economy Report 2024 wird der Markt für Halal-Lebensmittel und -Getränke bis 2025 voraussichtlich 2,1 Billionen US-Dollar erreichen. Diese Zahl unterstreicht das massive Marktwachstum und die zunehmende Bedeutung der Halal-Lebensmittelindustrie weltweit.
Andere Berichte prognostizieren ein noch größeres Wachstum. Der Markt für Halal-Produkte wird bis 2028 voraussichtlich 3,27 Billionen US-Dollar erreichen (FORTUNE BUSINESS INSIGHTS). Der Marktwert wird bis 2024 auf etwa 2,32 Billionen US-Dollar geschätzt (HALALPI).
Ein weiterer Bericht von RESEARCH AND MARKETS prognostiziert, dass der Halal-Markt bis 2030 bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 9,33 % rund 4,57 Billionen US-Dollar erreichen wird. Laut Imarc hat der gesamte Halal-Lebensmittelmarkt 2024 ein Volumen von 2,714 Billionen US-Dollar erreicht.
Dieser Markt ist nicht nur ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Er wirft bei mir auch grundlegende Fragen der ethischen, gesundheitlichen und nachhaltigen Verantwortung auf. Der Koran und die Sunnah geben klare Richtlinien für den Konsum von Lebensmitteln vor, doch der aktuelle Trend im Halal-Markt scheint zunehmend auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet zu sein, ohne diese Prinzipien vollständig zu berücksichtigen.
Die Anforderungen an Halal-Essen im Koran
Der Koran fordert von uns nicht nur den Verzehr von Halal-Lebensmitteln, sondern auch, dass diese gesund und nahrhaft sind. Allah sagt im Koran:
„O die ihr glaubt! Esst von den guten Gaben, die Wir euch beschert haben, und seid Allah dankbar, wenn Ihm allein ihr dient.“
Der Vers betont, dass nicht nur die Erlaubtheit (Halal) der Nahrung wichtig ist, sondern auch, dass sie aus „guten Dingen“ besteht. Das bedeutetm dass sie von guter Qualität und gesund ist. Der Begriff „gute Dinge“ (tayyibat) umfasst nicht nur Halal, sondern auch die gesundheitlichen und moralischen Aspekte der Ernährung.
Es ist eine Erinnerung daran, dass wir für unsere Nahrung dankbar sein sollten und uns unserer Verantwortung für das, was wir zu uns nehmen, bewusst sein sollten.
Ehrlich gesagt, muss ich mich auch oft an der eigenen Nase nehmen. Sich rein von “guten” Dingen zu ernähren, benötigt eine grosse Selbstdisziplin. Oftmals sind da die Versuchungen von Malteser & Co an der Supermarkt-Kasse stärker.
Würden wir uns alle nur mit den “guten” Dingen ernähren, wäre wohl auch der eint oder andere Industriezweig oder Diät-Coach bald pleite.
Kommerz vs. Ethik bei Halal-Lebensmittel
Mit der steigenden Nachfrage nach Halal-Produkten hat der Markt für Halal-Lebensmittel weltweit an Bedeutung gewonnen. Häufig wird das Halal-Label jedoch auch als Marketinginstrument eingesetzt, um den Absatz der Produkte zu steigern.
Es geht nicht nur darum, den Halal-Status zu bestätigen, sondern auch darum, eine größere muslimische Zielgruppe anzusprechen, unabhängig von den ethischen und gesundheitlichen Implikationen der Produkte.
Große Supermarktketten und multinationale Unternehmen wie Nestlé und McDonald’s bieten Halal-Produkte an, um die wachsende muslimische Konsumentengruppe zu bedienen. Diese Unternehmen haben jedoch keine umfassenden ethischen Standards für die Halal-Produktion, was bedeutet, dass „Halal“ nur als Verkaufsargument dient.
McDonald’s, weltweit bekannt für seine Fast-Food-Produkte, bietet in einigen Ländern Halal-zertifizierte Hamburger an, die nach Halal-Regeln geschlachtet wurden. Diese Burger werden jedoch in Massenproduktion hergestellt, oft aus Fleisch von Tieren, die in beengten Verhältnissen leben und unter Stress geschlachtet werden – Bedingungen, die nicht mit den islamischen Prinzipien des Respekts und der Barmherzigkeit gegenüber Tieren vereinbar sind.
Der Koran fordert im Zusammenhang mit dem Umgang mit Tieren
„Und der Prophet (s.a.w.s.) sagte: ‚Behandle die Tiere gut, wenn du sie schlachtest.’“
Das Gegenteil ist in der Massenproduktion der Fall, wo Tierhaltung und Schlachtmethoden oft nicht den ethischen Standards des Islam entsprechen. Wir sollten uns nicht durch die Werbung von glücklichen Weiderindern in die Irre führen lassen.
Ungesund bleibt ungesund. Auch mit Halal-Stempel
Viele Halal-Produkte, insbesondere aus der verarbeiteten Lebensmittelindustrie, enthalten hohe Mengen an Zucker, gesättigten Fetten und künstlichen Zusatzstoffen. Diese Lebensmittel werden mit der Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und Herzerkrankungen in Verbindung gebracht.
Laut der Global Burden of Disease Study 2019 sind Zivilisationskrankheiten mittlerweile die Hauptursache für Gesundheitsprobleme weltweit.
Im Koran finden sich jedoch zahlreiche Hinweise auf die Bedeutung einer gesunden Ernährung. Allah sagt im Koran:
„Und esst und trinkt, doch seid nicht verschwenderisch. Wahrlich, Er liebt die Verschwender nicht.“
Dieser Vers fordert Mäßigung nicht nur beim Essen, sondern auch bei der Auswahl gesunder und nahrhafter Lebensmittel sowie in anderen Lebensbereichen. Wir sollten uns bewusst sein, dass Halal-Produkte nicht nur im religiösen Sinne halal, sondern auch gesund sein müssen. Viele moderne Halal-Produkte enthalten jedoch ungesunde Zusatzstoffe, die nicht nur gesundheitsschädlich, sondern uns auch früher ins Grab bringen können.
Beispiel: Halal-Fertiggerichte, Snacks oder zuckerhaltige Getränke enthalten oft hohe Mengen an raffiniertem Zucker, der bekanntermaßen das Risiko für Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit erhöht. Der Prophet Muhammad (s.a.w.s.) sagte
„Der Magen ist das Haus der Krankheit, und Fasten ist das beste Heilmittel.
Diese Aussage unterstreicht, wie wichtig es ist, auf die Art der Nahrung zu achten und den Magen mit gesunden Lebensmitteln zu füllen. Der Verzehr von hochverarbeiteten Halal-Produkten steht im Widerspruch zu dieser Weisheit.
Zusatz- und Konservierungsstoffe: Ein verstecktes Risiko in Halal-Produkten
Die Halal-Industrie bietet eine Vielzahl von verarbeiteten Lebensmitteln an, die mit Konservierungsstoffen, Farbstoffen und künstlichen Aromen angereichert sind. Diese Zusatzstoffe können langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben, darunter allergische Reaktionen, Magen-Darm-Probleme und eine Zunahme chronischer Krankheiten.
Koran und Sunna betonen die Bedeutung einer natürlichen und sauberen Ernährung. Der Prophet Muhammad (s.a.w.s.) sagte in einem Hadith
„Esset, was rein ist und was euch nützt“.
Lebensmittel, die mit künstlichen Zusatzstoffen und schädlichen Chemikalien angereichert sind, widersprechen diesem Prinzip, da sie nicht „rein“ und „gesund“ sind.
Viele Halal-Süßigkeiten oder -Getränke enthalten künstliche Farbstoffe wie Tartrazin (E- 102), das in einigen Studien mit Allergien und Hyperaktivität bei Kindern in Verbindung gebracht wurde. Diese Produkte werden oft als „Halal“ gekennzeichnet, obwohl sie gesundheitsschädlich sein können. Dies wirft wohl nicht nur bei mir die Frage auf, ob Halal wirklich im Einklang mit der gesunden Lebensweise steht, die der Islam fördert.
Persönliches Fazit zu Halal-Lebensmittel: Was bedeutet das für mich?
Die Auseinandersetzung mit Halal-Lebensmitteln hat für mich mehrere Dimensionen eröffnet, die weit über die bloße Einhaltung religiöser Vorschriften hinausgehen. Es geht um viel mehr als nur darum, ob ein Produkt Halal zertifiziert ist. Es geht darum, wie ich als Muslim und bewusster Konsument meinen Beitrag zu einer ethischen, gesunden und nachhaltigen Lebensweise leisten kann.
Die Erkenntnis, dass der Begriff „Halal“ zunehmend kommerzialisiert wird, hat mich nachdenklich gemacht. Es ist erschreckend zu sehen, wie viele vermeintlich Halal-zertifizierte Produkte mit ungesunden Zutaten, schädlichen Zusatzstoffen oder unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Dies steht in krassem Widerspruch zu den Prinzipien des Islam, die Reinheit, Gesundheit und Respekt vor der Schöpfung betonen.
Für mich bedeutet das, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für das, was ich konsumiere, sondern auch für die Botschaft, die ich mit meinem Konsum unterstütze. Die einfache Frage „Ist das halal?“ reicht nicht aus. Ich muss mich auch fragen: Ist es gesund, nachhaltig und ethisch vertretbar?
Mein persönlicher Weg erfordert daher Disziplin und bewusste Entscheidungen. Ich möchte mich darauf konzentrieren, möglichst unverarbeitete, natürliche und lokale Lebensmittel zu konsumieren, die sowohl halal als auch tayyib (gut und rein) sind. Dabei ist es wichtig, Marketingstrategien und Halal-Siegel kritisch zu hinterfragen und nicht blind auf die Versprechungen der Industrie hereinzufallen.
Das ist eine Herausforderung, der ich mich stellen muss, auch wenn Bequemlichkeit und Verlockungen oft im Weg stehen.
Letztlich bedeutet Halal für mich nicht nur die Einhaltung religiöser Vorschriften, sondern auch ein Leben im Einklang mit den ethischen, gesundheitlichen und ökologischen Grundsätzen des Islam. Es ist ein Weg, der Anstrengung erfordert, aber gleichzeitig eine Bereicherung für Körper, Geist und Seele darstellt.
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